DerZierau: Von radikaler Chirurgie zum Kleben von Krampfadern

DerZierau: Von radikaler Chirurgie zum Kleben von Krampfadern

DerZierau: From radical surgery to sealing varicose veins

DerZierau: Von radikaler Chirurgie zum Kleben von Krampfadern – Seit 116 Jahren wird das radikalchirurgische „Stripping“ – das Herausziehen der Stammkrampfader – durchgeführt. Bis heute wird es in Deutschland unverändert zu einem der Standardverfahren moderner Krampfadertherapie erklärt. Für uns Grund genug, einmal in alten Operationslehrbüchern zu blättern,  um damalige Alternativverfahren zu finden und auf die neuen Standardverfahren hinzuweisen.

Bereits vor 111 Jahren wurden Tausende von Patienten vom Nestor der deutschen Verödungstherapie, Dr. Linser, mittels Verödung mit Sublimatlösung behandelt. Dabei wurde eine Lösung in die Krampfader hineingespritzt und es sollte ein Verschluss der Vene erreicht werden. Schon in der ersten Dekade des 20. Jahrhunderts  lieferten sich die Anhänger des Verödens und des radikalchirurgischen Herausziehen fachlich heftige Wort – und Textgefechte. Keine Seite konnte für sich in Anspruch nehmen, die bessere Therapieform zu praktizieren.

DerZierau: From radical surgery to gluing varicose veins – For 116 years, the radical surgical „stripping“ – the extraction of the truncal varicose vein – has been performed. To this day, it is still declared one of the standard procedures of modern varicose vein therapy in Germany. For us, this is reason enough to leaf through old surgical textbooks to find alternative procedures of the time and to point out the new standard procedures.

Already 111 years ago, thousands of patients were treated by the doyen of German sclerotherapy, Dr. Linser, by means of sclerotherapy with sublimate solution. A solution was injected into the varicose vein and the aim was to close the vein. Already in the first decade of the 20th century, the supporters of sclerotherapy and radical surgical extraction were engaged in fierce professional battles of words and texts. Neither side could claim to practice the better form of therapy.

 

DerZierau: Von radikaler Chirurgie zum Kleben von Krampfadern – Herausziehen (Stripping) Standardtherapie seit Ende der Vierziger 

Ende der 40er Jahre wurde dann in Deutschland (BRD) endgültig das Stripping zum Standardverfahren erhoben. Die radikale Chirurgie hatte vermeintlich obsiegt. Aber bereits 10 Jahre später findet sich in der Chirurgischen Operationslehre von Bier, Braun, Kümmell (7. Auflage 1958, J.A. Barth, Leipzig) im Kapitel „Die Ligatur der Vena saphena magna und die Behandlung der Varizen “ (Seite 354 ff.) eine nahezu vollständige Abkehr von der radikalen Chirurgie hin zur intravenösen Verödungstherapie. Die Professoren Bude und Rothe aus Halle und Leipzig (DDR) schreiben: „…fast überall (..in der DDR) ist die operative Behandlung der Krampfadern ganz oder nahezu völlig verlassen zugunsten der Verödung auf chemischem Wege. Diese leistet mehr und Vollkommeneres, als die chirurgischen Methoden zustande gebracht haben. Obgleich viel tüchtige und intelligente chirurgische Arbeit in den verschiedenen operativen Verfahren stecket, haben die meisten nur noch historischen Wert.“

Damals wurden Kochsalz – Lösungen, Zucker-Lösungen und Fettsäuresalz – Lösungen verwandt. Und es wurde bereits auf zwei wesentliche Nebenwirkungen der Flüssigverödung, die Hautschädigung und das Rezidiv, hingewiesen.

Die Vorteile des Verödungsverfahrens, also der Therapie in der Vene, beschreiben die Autoren folgend so:  „… dass die Injektionsflüssigkeit sich auch in den Seitenästen gut verteilt und damit auch gleich ein größeres Gebiet auf einmal zum Verschluss kommt….der zweite grosse Vorteil der Injektions – (Verödungs-) behandlung besteht darin, dass sie in den meisten Fällen ambulant und ohne nennenswerte Berufsstörung vorgenommen werden kann, ein Vorteil der von keinem chirurgischen Verfahren erreicht wird!“

Die Autoren benennen im Weiteren die verschiedenen radikalchirurgischen Verfahren – Unterbindung der Vena saphena magna nach Trendelenburg (1884), der Totalexstirpation nach Madelung (1903), bei der sämtliche Krampfadern durch viele Hautschnitte entweder aus dem Gewebe herausgerissen oder unterbunden werden, die Spiralschnitttechnik nach Rindfleisch – Friedel mit dem Ergebnis völlig entstellender Narben und einer sehr langen Heilungszeit und letztlich die seit 1907 praktizierte Stripping-Methode nach Babcock.  Interessanterweise findet sich neben der allgemeinen bildlichen und textlichen Darstellung des Herausziehen auch der Hinweis“ …es ist uns nur manchmal gelungen, die Stripping-Sonde vom Stamm her bis zum Knöchel hindurch zu führen, meistens sitzt der Kopf schon früher (an einer funktionierenden Venenklappe) fest, so wird auf dem fühlbaren Sondenkopf eingeschnitten, die Vene wird freigelegt nach unten hin unterbunden…und die ganze Sonde vom unteren Ende her langsam und gleichmäßig – unter Umständen mit kleinen Rucken – nach unten herausgezogen. Dabei reissen die Seitenäste ab und man kann den Venenstamm entfernen.“

Hier findet sich also bereits die Beschreibung der heute meistens durchgeführten inkompletten (stadienadaptierten) Entfernung der Stammvene. In der Regel werden die verschiedenen radikalchirurgischen Techniken heute kombiniert. Neben dem Stripping folgt häufig eine Entfernung der Seitenäste und eine Unterbindung von Verbindungsvenen über mehrere Hautschnitte.

DerZierau: From radical surgery to sealing varicose veins – Pulling out (stripping) standard therapy since the end of the forties 

At the end of the 1940s, stripping finally became the standard procedure in Germany (FRG). Radical surgery had supposedly prevailed. But already 10 years later, in the chapter „Ligature of the great saphenous vein and the treatment of varicose veins“ (page 354 ff.) of the Chirurgische Operationslehre by Bier, Braun, Kümmell (7th edition 1958, J.A. Barth, Leipzig), there is an almost complete turn away from radical surgery to intravenous sclerotherapy. Professors Bude and Rothe from Halle and Leipzig (GDR) write: „…almost everywhere (…in the GDR) the surgical treatment of varicose veins is completely or almost completely abandoned in favor of sclerotherapy by chemical means. This achieves more and more perfect results than the surgical methods have achieved. Although there is a lot of competent and intelligent surgical work in the various operative procedures, most of them have only historical value.“

At that time, saline solutions, sugar solutions, and fatty acid salt solutions were used. And two major side effects of liquid sclerotherapy, skin damage, and recurrence have already been pointed out.

The authors describe the advantages of the sclerotherapy procedure, i.e. the therapy in the vein, as follows: „… that the injection fluid is also well distributed in the side branches and thus a larger area is closed at once….the second great advantage of the injection (sclerotherapy) treatment is that it can be performed in most cases on an outpatient basis and without significant occupational disturbance, an advantage that is not matched by any surgical procedure!“

The authors go on to name the various radical surgical procedures – ligation of the great saphenous vein according to Trendelenburg (1884), total extirpation according to Madelung (1903), in which all varicose veins are either torn out of the tissue through many skin incisions or cut off, the spiral incision technique according to Rindfleisch – Friedel with the result of completely disfiguring scars and a very long healing time, and finally the stripping method according to Babcock, which has been practiced since 1907.  Interestingly, in addition to the general pictorial and textual representation of the extraction, there is also the note“ …we have only sometimes succeeded in guiding the stripping probe from the trunk through to the ankle, usually, the head is already stuck earlier (at a functioning vein valve), so an incision is made on the palpable probe head, the vein is exposed downwards…and the whole probe is pulled out from the lower end slowly and evenly – under certain circumstances with small jerks – downwards. In the process, the side branches tear off and you can remove the truncal vein“.

Thus, the description of the incomplete (stage-adapted) removal of the truncal vein, which is mostly performed today, can already be found here. As a rule, the various radical surgical techniques are combined today. In addition to stripping, removal of the side branches and ligation of connecting veins via several skin incisions often follows.

Der Weg zum Venenkleber

Die Überlegungen zur Behandlung der Krampfader im Inneren mittels Kathetern sind – wie oben beschrieben – keineswegs neu oder eine neumodische zeitweise Erscheinung.

Und es wird seit dem Beginn des Jahrtausends auch immer mehr erfolgreich mittels Katheter die Stammkrampfader behandelt. Nachdem um die Jahrtausendwende zunächst die Radiofrequenzkatheter klinisch eingeführt wurden, folgte 2002 der Laserkatheter. In den Jahren 2006/2007 erfuhren beide Katheterverfahren eine Modernisierung. Parallel dazu wurde auch der kathetergestützte chemische Verschluss – mittels eines verschäumten Verödungslösung –  immer mehr eingesetzt.

Ab 2011 wurde auch die Verklebung mittels eines Klebers (VenaSeal®-Closure) europaweit und inzwischen weltweit zugelassen. Der verwendete Kleber war allerdings alles andere als neu – bereits seit Beginn der Sechziger Jahre wird er in fast allen operativen Disziplinen eingesetzt. Es ist also eher überraschend, dass die Behandlung der Krampfader durch Acrylatkleber so spät in den Fokus der Venenspezialsten gelangte. Die Verklebung stellt einen vorläufigen Höhepunkt bei der Entwicklung schonender und effektiver Methoden durch Behandlung der Stammvaricosis dar.

Saphenion® Venenzentrum Rostock – unser 1895.Patient nach VenaSeal®-Therapie im Interview

The way to the vein glue

The considerations for the treatment of internal varicose veins by means of catheters – as described above – are by no means new or a newfangled temporary phenomenon.

And since the beginning of the millennium, catheters have also been used more and more successfully to treat truncal varicose veins. After radiofrequency catheters were first introduced clinically at the turn of the millennium, laser catheters followed in 2000. In 2006/2007, both catheter procedures underwent modernization. In parallel, catheter-based chemical occlusion – using a foamed sclerosing solution – was also increasingly used.

From 2011, bonding by means of an adhesive (VenaSeal® Closure) was also approved throughout Europe and now worldwide. However, the adhesive used was anything but new – it has already been used in almost all surgical disciplines since the early sixties. It is therefore rather surprising that the treatment of varicose veins with acrylate adhesives came so late to the attention of vein specialists. Adhesion represents a preliminary peak in the development of gentle and effective methods for the treatment of truncal varicosis

Glucoselösung mit Mikroschaum – Sealing foam

DerZierau: Von radikaler Chirurgie zum Kleben von Krampfadern – Bereits in den 50er Jahren wurde die Verödungstherapie auch mit steriler Glucoselösung durchgeführt. Eine hochprozentige Glucoselösung hat einen erheblichen Klebeeffekt. Durch die Einführung des Verödungsmedikamentes Ethoxisklerol Anfang der 60er Jahre und die schnelle monopolartige Verbreitung dieser Substanz sowohl in der damaligen BRD, als auch in der DDR, geriet die Glucoseverödung / – verklebung ein wenig in Vergessenheit.

Seit 7 Jahren jedoch wird das bei SAPHENION® getestete Kombinationspräparat  in der Praxis erfolgreich eingesetzt und findet als Sealing foam sehr viel Anwendung bei der Behandlung von Seitenast – und Perforanzvenen. Aber auch der Einsatz bei Stammkrampfadern ist . bei einem Gefäßdurchmesser bis ca. 6 mm, sehr erfolgreich. Hier wird eine ähnlich gute Verschlusseffektivität erreicht, wie beim Acrylatkleber – und das ambulant,  ganz ohne Anästhesie und mit deutlich geringeren Kosten – bei  sofortiger Arbeits – oder Sportfähigkeit.

Die Autoren haben mit sämtlichen Therapietechniken Erfahrungen sammeln können. Wir haben zunächst – wie alle Gefäßchirurgen – zeitgemäße operative Techniken angewandt – als auch seit 2002 mit dem Laser gearbeitet, 2007 die Radiowelle eingeführt und dann ab 2012 zusätzlich den Venenkleber in unser operatives Repertoire aufgenommen und seit 7 Jahren mit dem Sealing foam sehr gute Erfahrungen sammeln dürfen.

Inzwischen konnten wir uns beim Venenkleben an 3802 Stammvenen bei 1895 Patienten und beim Sealing Foam bei über 15000 Patienten von der Effektivität des Venenklebens im Allgemeinen und der beiden Verfahren in ihrer speziellen Indikation im Besonderen überzeugen.

https://www.ajsccr.org/article-details.php?tit=AJSCCR-v5-1792

Glucose solution with microfoam – Sealing foam

DerZierau: From radical surgery to gluing varicose veins – As early as the 1950s, sclerotherapy was also performed with sterile glucose solution. A high-percentage glucose solution has a considerable adhesive effect. Due to the introduction of the sclerosing agent ethoxisklerol at the beginning of the 1960s and the rapid monopoly-like distribution of this substance both in the then FRG and in the GDR, glucose sclerotherapy/adhesion was somewhat forgotten.

However, the combination preparation tested at SAPHENION® has been used successfully in practice for 7 years and is widely used as a sealing foam in the treatment of side branches and perforating veins. However, it is also very successful in the treatment of truncal varicose veins with vessel diameters of up to approx. 6 mm. Here, a similarly good sealing effect is achieved as with the acrylate adhesive – and this on an outpatient basis, without any anesthesia and with significantly lower costs – with immediate fitness for work or sports.

The authors have gained experience with all therapeutic techniques. Initially, like all vascular surgeons, we applied contemporary surgical techniques – as well as worked with the laser since 2002, introduced the radio wave in 2007, and then, from 2012, additionally included the vein glue in our surgical repertoire and have been able to gain very good experience with the sealing foam for 7 years.

In the meantime, we have been able to convince ourselves of the effectiveness of vein gluing on 1895 patients in 3802 truncal veins and of Sealing Foam in over 15000 patients, and of the two procedures in their special indication in particular.

Dr. U.Th.Zierau, PD Dr. med. habil. W.Lahl, Dr. med. Lilie Martell

DerZierau: Von radikaler Chirurgie zum Kleben von Krampfadern – Blick aus dem Gefäßzentrum; DerZierau: From radical surgery to sealing varicose veins – View from the Vascular center

Fotos: Utzius

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