Saphenion®-Weltthrombosetag: Unsere ambulante Thrombosetherapie
Seit 1856 ist die Entstehung von tiefen Venenthrombosen in ihrer Ursache geklärt. Rudolf Virchow, Chirurg und Pathologe in Berlin und Würzburg (geb. 1821 Pommern, gest. 1902 Berlin) beschrieb in seiner bekannten Virchow – Trias die Faktoren einer möglichen Thrombose sehr genau. Diese sind heute noch weitgehend gültig.
Verletzungen der Veneninnenwand, verlangsamter Blutfluss und erhöhte Gerinnbarkeit sind die von Virchow genannten maßgeblichen Ursachen. In der abgebildeten Tabelle sind Diese dezidiert aufgeführt.
Aus heutiger Sicht sind besonders die Faktoren lange Flug – / Autoreise, Joggen / Nordic Walking / Bergsteigen und lange Fußmärsche, lokale oder allgemeine Wärmeexposition, Ruhigstellung eines Beines nach Unfällen und auch ungewohnte körperliche Belastungen für die ambulante Praxis von erheblicher Relevanz.
Ganz aktuell findet sich auch das COVID 19 – Virus in der Liste der Thrombosemacher. Durch Einlagerung in den Venenwänden der Beinvenen entstehen Entzündungen der Wand mit nachfolgender lokaler Thrombose.
Saphenion® möchte aus Anlass des Weltthrombosetages am 13.07. 2020 unser Therapieprotokoll zur Behandlung der Tiefen Beinvenenthrombose (TVT) kurz darstellen. Diese Empfehlungen erfassen vorwiegend tiefe Venenthrombosen der Unterschenkel – / Knie – / Oberschenkel – und Beckenvenenthrombose. Diese Venenregionen spielen in der chirurgischen und gefäßchirurgische Praxis die größte Rolle in der täglichen praktischen Arbeit.
Saphenion®-Weltthrombosetag: Unsere ambulante Thrombosetherapie – Das Thrombose-Syndrom
Nach klinischen Gesichtspunkten wird die Venenthrombose in 3 Gruppen eingeteilt:
- Venenentzündung und Thrombose der oberflächlichen Beinvenen und der Bauchwand (OVT)
- Thrombose der tiefen Beinvenen (Leitvenen), der Beckenvenen sowie der Bauchvene (Vena cava inferior) sowie ihrer Zuflüsse
- Subakute Thrombose und chronische Thromboseformen, das sog. Postthrombotische Syndrom
Risikofaktoren der Thrombose sind gehäuft bei Frauen zu finden. Schwangerschaft, östrogenhaltige Antibabypille – daneben gelten Alter, Gewicht, Herzerkrankungen und bösartige Tumore als thrombosefördernd. Wichtig ist auch der Hinweis auf Krampfadern in den verschiedenen Ausbildungsformen – hier findet sich ebenfalls ein großes Thromboserisiko – gefördert durch Viren, z.B. Covid 19.
Frauen weisen demzufolge ein dreifach erhöhtes Risiko auf. Bei Einnahme der Östrogenpille steigt das Risiko auf das Zehnfache, die in den Venenwänden liegenden Östrogenrezeptoren sind voll mit dem Hormon besetzt – und erweitern die Venen erheblich. Damit kommt es per se schon zu einer venösen Stauung, die bei weiteren Risikofaktoren sehr schnell zur Thrombose entartet.
Daneben sind auch Operationen an den Extremitäten oder von Tumorerkrankungen mit einem deutlich erhöhten Risiko behaftet. So finden sich bei ca. 24% der Patientinnen nach gynäkologischen Operationen, bei allgemeinchirurgische Eingriffen in 28%, bei urologischen Operationen in 43% und bei orthopädischen Eingriffen in fast 50% der Fälle Thrombosen.
Somit wird sehr deutlich, dass eine medikamentöse, zeitlich angepasste Thromboseprophylaxe nach größeren operativen Eingriffen zwingend ist. Dazu gehört auch die Versorgung mit entsprechend angepassten Kompressionsstrümpfen der Kompressionsklasse 2. Die Thromboseprophylaxe hat sich in ihrer Dauer nach dem individuellen Mobilisierungsgrad und der Schwere der OP zu richten. Formale zeitliche Gabe oder Dosierung erreicht nicht das Ziel.
Saphenion®-Weltthrombosetag: Unsere ambulante Thrombosetherapie – Häufigkeit des Auftretens
In der BRD treten pro Jahr ca. 800 000 Beinvenenthrombosen auf. Bei 25 – 50% der betroffenen Patienten kommt es in der Folge zu Lungenembolien. Davon verlaufen fast 25% tödlich. Nur bei 11% der tödlichen Lungenembolien wurde in der Vordiagnostik die Ursache – eine tiefe Beinvenenthrombose – diagnostiziert! Lediglich bei 17% der betroffenen Patienten wurde primär eine Beinvenenthrombose beschrieben, in 25% der Fälle wird erst nach der Lungenembolie eine tiefe Beinvenenthrombose erkannt. Dieses Phänomen tritt im Übrigen auch aktuell sehr häufig auf – Covid-19 Patienten sterben nicht am Virus, sondern an einer Lungenembolie.
Daraus wird deutlich, dass die tiefe Venenthrombose eine hohe Dunkelziffer hat und häufig erst an ihren oft schwerwiegenden oder gar tödlichen Komplikationen erkannt wird. Dies hat sich auch heute nicht geändert. Ganz im Gegenteil werden – nach unseren Erfahrungen in der Saphenion® Akutsprechstunde bei der Diagnostik in stationären Akuteinrichtungen häufig lediglich orientierende Laboruntersuchungen (D-Dimer-Bestimmung) durchgeführt. Eine orientierende und beweisende Ultraschalluntersuchung findet nicht statt. Patienten werden mit Thromboseprophylaxe – Tabletten in die ambulante Versorgung entlassen. Häufig sollen dann Hausärzte die weitere Diagnostik veranlassen oder durchführen – ein fatales Missverständnis über den Verlauf und die Schwere der Grunderkrankung!
Saphenion®-Weltthrombosetag: Unsere ambulante Thrombosetherapie – Symptome und Diagnostik
Die Venenthrombose geht mit unsicheren klinischen Symptomen einher. Das führt zu einem breiten Spektrum an Differentialdiagnosen. Ohne technische Hilfsmittel ist die Diagnostik nicht sicher zu erstellen. Der typische Thromboseschmerz wird beim Stehen und Gehen als berstend und brennend in Fusssohle und Wade beschrieben. Häufig ist ein Auftreten nicht mehr möglich. Der Schmerz strahlt dann, je nach Ausdehnung der Beinvenenthrombose nach oben aus. Dumpfe Beschwerden in der Leistengegend weisen auf eine Beteiligung der Oberschenkel – und Beckenvenen hin. Im Liegen klingen die Schmerzen dann ab, bei erneuter Belastung kommen sie sofort heftig wieder. Zum Einen ist ein schleichender Beginn über einige Tage mit plötzlicher Verschlechterung möglich. Zum Anderen ist aber auch eine plötzliche Entwicklung der Schmerzsymptomatik nicht selten.
Nach Operationen wird der Thromboseschmerz oft durch den Schmerz nach dem operativen Eingriff überdeckt. Die Reise – Thrombose entsteht durch stundenlanges Sitzen im Bus, Auto oder Flugzeug. Hierbei entsteht primär ein Venenwandschaden der Knievene, gepaart mit einem nach unten erheblich steigenden Blutvolumen und Venendruck. Dieser Thrombosetyp hat aufgrund der Primärlokalisation in der Knievene ein Lungenembolierisiko von bis zu 60%! Deshalb sind wir in der praktischen Tätigkeit immer wieder überrascht, das dieser Thrombosetyp sowohl vom Patienten, als auch vom Arzt im Reiseland / Ort oft im wahrsten Sinne des Wortes „auf die leichte Schulter“ genommen wird.
Die ambulante Diagnostik in unseren Venenzentren wird in einem Stufenprotokoll zusammengefasst. Zunächst wird nach Anamnese und klinischer Untersuchung die Wahrscheinlichkeit bestimmt. Ist diese gering, hilft der D-Dimer-Test. Bei negativem Test gilt die Thrombose als ausgeschlossen. Weiterhin führen wir eine venöse Funktionsmessung durch, diese gibt bereits orientierend Aufschluss über die Lokalisation einer vermuteten Thrombose. Sind beide Untersuchungen positiv (D-Dimer erhöht) muss in JEDEM FALL sofort im Anschluss die Duplex / Kompressionssonografie erfolgen. Ein alleiniger Befund nach D-Dimer / Funktionsmessung ist aus unserer klinischen Erfahrung nicht ausreichend und gibt auch keine Auskunft über notwendige Therapien.
Eine Therapieeinleitung ohne Ultraschalldiagnostik ist ein medizinischer Fehler! Zwingend ist im weiteren Verlauf der Therapie auch eine Diagnostik des Gerinnungssystems in einer ausgewiesenen Gerinnungspraxis.
Saphenion®-Weltthrombosetag: Unsere ambulante Thrombosetherapie – In konkreten Schritten
Die Therapieentscheidung hängt vom ungefähren Alter und der Ausdehnung der Thrombose in den Beinvenen ab. Mit modernen hochauflösenden Farb – Ultraschall – Computern ist diese Altersbestimmung recht konkret möglich und macht die invasive Kontrastmittel – Röntgenuntersuchung (Phlebographie) in vielen Fällen entbehrlich.
- Bei älteren Thrombosen versuchen wir, mittels Arixtra 7,5mg – Injektionen in therapeutischer Dosierung eine Auflösung des Thrombus zu erreichen. Dieser Prozess dauert etwas länger, ein Therapieerfolg ist u. U. nicht sofort zu sehen.
- Bei frischen Thrombosen bis zu einem Alter von 14 Tagen führen wir eine kathetergestützte lokale Lyse im Thrombus mittels Actilyse® durch. Der Katheter wird sonografisch gesteuert eingeführt. Parallel werden Heparinpräparate gespritzt.
- Bei Thrombosen mit Ausdehnung in die Beckenvenen hinein sehen wir zunächst – nach Einleitung einer Arixtra – Therapie – die Indikation zur Vorstellung in einer gefäßchirurgischen Abteilung eines Krankenhauses zur Abklärung einer operativen Thrombektomie oder Katheterlyse im Beckenvenenniveau.
- In keinem Fall werden initial Tabletten zur Thrombosetherapie verabreicht. Unsere Erfahrungen aus der 20 – jährigen täglichen praktischen Arbeit zeigen mit der Einführung der oralen Thrombosehemmer zwar eine Verbesserung der Thromboseprophylaxe. Die therapeutischen Erfolge sind sowohl bei eigenen Patienten, als auch aus Krankenhäusern zugewiesenen Patienten eher verlangsamt.
- Im Falle bereits stattgehabter Lungenembolien ist – nach Ausschluss begleitender schwerer Erkrankungen von Herz – oder Gerinnungssystem – eine mindestens 3 – monatige Arixtra 7,5 mg – Therapie angeraten. An diese angeschlossen wird eine weitere Thromboseprophylaxe – Therapie mittels Tabletten (z.B. Xarelto) oder Fortführung der Injektionstherapie mit Arixtra 2,5 mg in prophylaktischer Dosierung.
- In jedem Fall ist eine Kompressionstherapie mit Langstrumpf oder Strumpfhose über 3 – 6 Monate zwingend, angeschlossen von einer belastungsadaptierten Kompression.
- Eine Mobilisierung – ebenfalls belastungsadaptiert – wird von uns sofort nach Therapiebeginn wieder eingeleitet.
- Dieses Therapieschema wird von uns, sofern keine Gerinnungsstörungen nachgewiesen werden, je nach Lokalisation und Ausdehnung der Thrombose – über 3 Monate bis zu einem Jahr fortgeführt. Bei nachgewiesenen Gerinnungsstörungen ist eine lebenslange Antithrombosetherapie in den meisten Fällen unumgänglich.
Aktuelle Meldung zu Thrombosetabletten:
https://www.bfarm.de/SharedDocs/Risikoinformationen/Pharmakovigilanz/DE/RHB/2019/rhb-doaks.html
Saphenion®-Weltthrombosetag: Unsere ambulante Thrombosetherapie – Schlussfolgerungen:
Die Tiefe Beinvenenthrombose ist auch heute noch eine gefährliche Erkrankung, bei der nicht selten schweren Komplikationen aufregen. Im Handling ist fachärztliches Wissen und Erfahrung zwingend erforderlich.
Die alleinige Therapieeinleitung nach Bestimmung des D – Dimer oder einer Funktionsmessung ist nicht zu akzeptieren und stellt eine erhebliche Gefährdung des betroffenen Patienten dar. Zwingend ist eine Bilddiagnostik der Bein – / Beckenvenen – vorzugsweise mittels Duplex – Ultraschall und bei entsprechender Symptomatik ein MRT der Lunge.
Patienten sollten bereits in der Erstversorgung komplett diagnostiziert und auch therapeutisch eingestellt werden. Eine Verschiebung / Verlagerung in die Ambulante Therapie ohne initiale Diagnostik und entsprechenden Therapiebeginn ist aufgrund der Komplikationsmöglichkeiten fachlich nicht zu unterstützen.
Fotos: Utzius
Quellen / Literatur:
Hach, W. et al.: Venenchirurgie; Schattauer Verlag, 2006
Siegenthaler, W. et al.: Klinische Pathophysiologie; Georg Thieme Verlag, 1987
Weber, J. und R. May et al.: Funktionelle Phlebologie; Georg Thieme Verlag, 1990.
Wuppermann, Th. et al.: Varizen, Ulcus cruris und Thrombose; Springer-Verlag; Berlin, Heidelberg, New York, Tokyo; 1986
Zierau, U.Th.: Die Bedeutung des Krankheitsbildes der tiefen Bein – und Beckenvenenthrombose: Prinzipien der Diagnostik, Therapie und Prophylaxe am Charité – Klinikum; Dissertation doctor medicinae an der Medizinischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin 1988.
https://www.saphenion.de/news/saphenion-protokoll-prophylaxe-reisethrombose/